Die Texte der Bibel sprechen nicht in heile Welt hinein – ganz im Gegenteil. Kaum eine Stelle macht das so deutlich wie 2. Korinther 4,8–11:
8 Wir werden überall bedrängt, aber nicht erdrückt; wir kommen in Verlegenheit, aber nicht in Verzweiflung; 9 wir werden verfolgt, aber nicht verlassen; wir werden niedergeworfen, aber wir kommen nicht um; 10 wir tragen allezeit das Sterben des Herrn Jesus am Leib umher, damit auch das Leben Jesu an unserem Leib offenbar wird. 11 Denn wir, die wir leben, werden beständig dem Tod preisgegeben um Jesu willen, damit auch das Leben Jesu offenbar wird an unserem sterblichen Fleisch.
Sicherlich ist das etwas, das jeden Christen in irgendeiner Form betrifft. Nicht jeden gleich, aber letztlich ist es das, was Nachfolger von Jesus in einer Welt erwartet, die Gott hasst. Wie sollte sie dann diejenigen lieben, die ihn lieben und ihm immer ähnlicher werden wollen? Vielleicht wirst du aufgrund deines Glaubens, vielleicht auch aufgrund deines Äußeren von anderen verachtet und ausgelacht. Vielleicht fühlst du dich in die Ecke gedrängt und nicht geliebt, von allen Menschen verlassen.
Es sind aber nicht immer zwingend nur andere Menschen, die bedrängen, verfolgen und niederwerfen. Ich glaube, dass es manchmal mehr noch Gedanken und Ideen sind, die das mit uns machen. Nimm nur mal deine Zweifel, die an dir nagen, die dir einflüstern, dass Gott, wenn es ihn überhaupt gibt, dich nie annehmen könnte. Nimm deine Selbstzweifel: Du hast das Gefühl, nichts zustande zu bringen. Du siehst vielleicht die anderen Mütter in deiner Gemeinde, deren Kinder immer gehorsam sind, und deine Kinder sind die schlimmsten Rabauken. Obwohl du jeden Tag dein Herz für sie leer machst, zeigt es keinen Effekt. Oder du, du lebst in einer Umgebung der Hoffnungslosigkeit, deine Eltern sind zerstritten, deine Ehe kaputt, deine Arbeit erscheint dir sinnlos, in deiner Gemeinde kannst du irgendwie nie auftanken, du scheiterst immer wieder daran, das Evangelium mit deinen Mitmenschen zu teilen, und wenn du es tust, erreichst du niemanden.
Was auch immer es bei dir gerade ist, ich bin mir sicher, dass du dich darin wiederfindest. Sogar Paulus – seines Zeichens der größte Apostel – kennt genau das. Schau aber auch mal die beiden Verse zuvor an:
6 Denn Gott, der dem Licht gebot, aus der Finsternis hervorzuleuchten, er hat es auch in unseren Herzen licht werden lassen, damit wir erleuchtet werden mit der Erkenntnis der Herrlichkeit Gottes im Angesicht Jesu Christi. 7 Wir haben aber diesen Schatz in irdenen Gefäßen, damit die überragende Kraft von Gott sei und nicht von uns.
Das Wort „irden“ ist ein etwas älteres deutsches Wort und bedeutet im Wesentlichen „aus Ton gemacht“. Paulus spricht von einem Schatz in Gefäßen aus Ton. Ich weiß nicht, ob du schon mal was aus Ton hergestellt hast. Tongefäße werden mit den Händen aus weichem Ton geformt und am Ende des Prozesses steht der Ofen, der das Gefäß veredelt und fest macht. In diesem Ofen wird der Ton von einem unfertigen Produkt zu einem Haushaltsgegenstand. Aber einmal fertiggestellt, kann der kleinste Stoß auf dem Ecktisch dieses Gefäß in den Untergang stürzen lassen. Die Haltbarkeit ist trügerisch. Das dicke Porzellan ist empfindlicher als es scheint.
Und daher ist es kein Wunder, dass die Bibel die Menschen oft als Krüge aus Ton beschreibt. Von unserem Schöpfer liebevoll geformt, sind wir wie Tongefäße, die darauf warten, in Millionen winziger Stücke zerbrochen zu werden. David schreibt in Psalm 31,13, wie er sich fühlt:
13 Ich bin in Vergessenheit geraten, aus dem Sinn gekommen wie ein Toter; ich bin geworden wie ein zertrümmertes Gefäß.
Wir sind schwach. Wir werden müde und erschöpft. Wir werden alt und gebrechlich. Und daher macht die Übersetzung, die die BasisBibel für 2. Korinther 4,7 gewählt hat, total Sinn:
7 Wir tragen diesen Schatz aber in zerbrechlichen Gefäßen.
Was meint Paulus damit? Von welchem Schatz spricht er und warum betont er das mit den zerbrechlichen Gefäßen? Was will er mit diesem Bild aussagen? Um das zu verstehen, müssen wir uns Vers 6 genauer anschauen.
6 Denn Gott, der dem Licht gebot, aus der Finsternis hervorzuleuchten, er hat es auch in unseren Herzen licht werden lassen, damit wir erleuchtet werden mit der Erkenntnis der Herrlichkeit Gottes im Angesicht Jesu Christi.
Paulus zeichnet hier ein Bild, das uns an eine Textstelle im Alten Testament erinnert. Gott hat schon einmal gesagt, dass die Finsternis hell werden soll. Diese Worte hier erinnern sehr stark an die Schöpfungsgeschichte in 1. Mose 1, wo Gott in Vers 3 in die Finsternis hineinspricht:
3 Es werde Licht!
Paulus verwendet das als Bild dafür, was Gott tut, wenn er tote Sünder zum Leben erweckt:
7 er hat es auch in unseren Herzen licht werden lassen
Da, wo unser Inneres „wüst und leer“ war, wo nur „Finsternis auf der Tiefe“ lag, dort hinein hat Gott gesprochen: „Es werde Licht“. Und wir wissen, was passiert, wenn Gott der Finsternis, dem Sturm, dem Tod, der Leere befiehlt. Nichts und niemand davon kann sich ihm widersetzen. Die Finsternis wird licht. Der Sturm wird still. Der Tod wird zu Leben. Die Leere wird gefüllt. Womit wird das gefüllt, was bis dahin leer war? Was legt Gott dort hinein?
7 damit wir erleuchtet werden mit der Erkenntnis der Herrlichkeit Gottes im Angesicht Jesu Christi.
Das, was Gott hineinlegt, ist die Fähigkeit und der Hunger danach, seine Herrlichkeit zu sehen und mehr noch, an ihr teilzuhaben und in ihr Ruhe zu finden. Das, was uns vorher verborgen geblieben ist, das wir gar nicht wollten, ist jetzt möglich und wird zu unserem tiefsten Verlangen. Stell dir vor, als Gott den Menschen erschaffen hat, war es sein größter Wunsch, dass der Mensch in Einheit und Verbindung mit ihm steht und seine Herrlichkeit und seine Ehre genießen kann. Wenn ich von diesen Dingen schreibe, dann meine ich nicht etwas, das Gott einfach besitzt, so als wäre es etwas Fremdes, sondern es ist die wundervolle Ausstrahlung dessen, was er ist. Liebe, Heiligkeit, Freundlichkeit, Allmacht, Größe, Allwissenheit, Wärme. Gott legt bei der Wiedergeburt nicht nur das Vermögen, sondern auch das Verlangen danach in uns, daran teilzuhaben, Lebenssinn und ultimative Freude darin zu finden.
Aber warum betont Paulus das mit den zerbrechlichen Gefäßen dann so? Ich finde es ein unheimlich befreiendes Bild: der Schatz in zerbrechlichen Gefäßen. Gott hat sich entschieden, diesen Schatz nicht in schöne Gefäße zu geben, nicht in Gefäße, die dekoriert sind oder die aus einem Material gefertigt sind, das nicht kaputtgehen kann. Gott ist bewusst den Weg gegangen, das Wertvollste in unscheinbare, unansehnliche und zerbrechliche Gefäße zu legen. In dich und in mich.
Wenn deine Schwachheit dich wieder fertig macht, wenn du einfach müde bist von Angriffen von außen, wenn du Zweifel hast, wenn deine Kraft dich verlässt, dann musst du nicht krampfhaft versuchen, stark zu wirken. Wenn alles in die Brüche gegangen ist, dein Haus nicht in Ordnung ist, du gefühlt in Scherben liegst, dann musst du dir selbst, anderen und Gott gegenüber nicht vorleben, dass du die „beste Version deiner selbst“ bist, wie es Social Media uns aufzeigen will. Stark sein, aktiv sein, attraktiv sein, dir große Ziele setzen, unabhängig sein, Körper und Geist optimieren, das macht uns frei, sagt uns Instagram. Aber was wäre, wenn du stattdessen die Tatsache akzeptieren würdest, dass du ein einfaches Tongefäß bist? Was wäre, wenn du Tatsache nicht ignorieren würdest, dass du als Mensch manchmal wirklich müde wirst und es sein darfst? Was wäre, wenn du ein biblisches Verständnis dafür entwickeln würdest, was es bedeutet, schwach zu sein?
„Wir haben aber diesen Schatz in irdenen Gefäßen, damit die überragende Kraft von Gott sei und nicht von uns“. Ich habe mich gefragt, wann es uns um die Ehre Gottes geht. Ich kenne das von mir, und wenn ich ehrlich zu mir bin, dann sage ich am allermeisten dann „Gott die Ehre“, wenn ich für etwas gelobt werde. In meiner tollen Geistlichkeit habe ich mir angewöhnt, wenn mir jemand sagt: „Ich fand deine Predigt gut“ oder „Was du zu dem Thema gesagt hast, hat mir geholfen“, zu erwidern: „Gib Gott die Ehre“. Aber sind es wirklich in erster Linie diese Dinge in unserem Leben, die Gott Ehre bereiten? Ist mein Leben dann „Soli Deo Gloria“, wenn ich stark bin, wenn ich als Christ überzeuge, wenn ich geistliche Höhenflüge erlebe und alles wie von selbst geht?
Paulus macht etwas anderes deutlich. Er betont den Gedanken vom Schatz in zerbrechlichen Gefäßen, um dann den Grund dafür zu nennen, warum Gott ihn nicht in schöne Gefäße gibt, die aus Metall sind und nie kaputtgehen: damit die überragende Kraft von Gott sei und nicht von uns. Gott wird nicht dadurch geehrt, dass wir versuchen, etwas am Aussehen, an der Attraktivität, an der Haltbarkeit oder am äußeren Wert unserer Gefäße zu verändern. Wir haben das Gefühl, dass Gott heller durch uns leuchtet, wenn wir mit unserer Kraft gute Dinge tun, wenn wir uns würdig erweisen, wenn wir dieses oder jenes machen. Aber Paulus betont etwas anderes.
Gott wird dann in unserem Leben geehrt, wenn wir mit unserem Dasein, unserem Reden, unserer Ausrichtung anerkennen, dass nichts besser wird, wenn wir als Träger des Schatzes von der Herrlichkeit Gottes schöner werden, sondern wenn wir abnehmen, damit Gott heller strahlt. Wenn wir uns selbst und anderen deutlich machen, dass unser Wert nicht von uns kommt, von dem, was wir tun, wie wir aussehen oder wie erfolgreich wir sind, sondern aus uns, nämlich aus dem, was Gott in uns hineingelegt hat.
Ist das nicht unheimlich befreiend? Mein Leben auf „Soli Deo Gloria“ ausrichten bedeutet nicht, dass ich immer stärker werden muss, mein Gefäß immer dickere Wände bekommt, damit nichts von außen eindringen kann. Ich darf anerkennen, dass es meine Berufung ist, diesen Schatz in mir zu tragen. Ich darf Ruhe darin finden, dass wenn der Ton, aus dem ich gemacht bin, Risse bekommt, wenn etwas abbricht, auch wenn das wehtut, weil dann das, womit ich gefüllt sein darf, noch mehr und heller nach außen dringen kann.
Und ich darf Ruhe darin finden, dass wenn mein irdisches Gefäß mit meinem Tod ganz in Scherben liegt, wenn es nicht mehr repariert werden kann, das gilt, was Paulus im selben Kapitel in den Versen 13–17 schreibt:
13 Weil wir aber denselben Geist des Glaubens haben, gemäß dem, was geschrieben steht: »Ich habe geglaubt, darum habe ich geredet«, so glauben auch wir, und darum reden wir auch, 14 da wir wissen, dass der, welcher den Herrn Jesus auferweckt hat, auch uns durch Jesus auferwecken und zusammen mit euch vor sich stellen wird. 15 Denn es geschieht alles um euretwillen, damit die zunehmende Gnade durch die Vielen den Dank überfließen lasse zur Ehre Gottes. 16 Darum lassen wir uns nicht entmutigen; sondern wenn auch unser äußerer Mensch zugrunde geht, so wird doch der innere Tag für Tag erneuert. 17 Denn unsere Bedrängnis, die schnell vorübergehend und leicht ist, verschafft uns eine ewige und über alle Maßen gewichtige Herrlichkeit, 18 da wir nicht auf das Sichtbare sehen, sondern auf das Unsichtbare; denn was sichtbar ist, das ist zeitlich; was aber unsichtbar ist, das ist ewig.
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