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Die geheimnisvolle Geschichte des Ölbergs

26. September 2021

Wäre die Bibel ein Reiseführer, so würde sie vermutlich immer wieder an einem Ort halten: am Ölberg. Sowohl im Alten als auch im Neuen Testament taucht er immer wieder auf, hat Generationen überdauert und ist Schauplatz von vergangenen Wehklagen und zukünftigen Prophezeiungen geworden. Daher lohnt es sich, diesen besonderen Ort einmal erzählen zu lassen und hinzuhören, welche Geschichten der Ölberg erlebt hat.

Die Reise beginnt in 2. Samuel 15. Als Absalom einen Aufstand gegen seinen Vater anzettelt und triumphierend in Jerusalem einzieht, um den Thron zu besteigen, flieht David angsterfüllt und niedergeschmettert über den Ölberg aus der Stadt: “David aber stieg den Ölberg hinauf und weinte, während er hinaufging; er ging aber mit verhülltem Haupt und barfuß; auch von dem ganzen Volk, das bei ihm war, hatte jeder das Haupt verhüllt und ging unter Weinen hinauf.” (2. Samuel 15, 30) Er hatte versagt, er trat den Rückzug an. Sein eigener Sohn hatte ihn verraten.

Weiter geht es in Hesekiel 11. Dort werden wir als Leser Zeugen des Gerichtes Gottes über das Volk Israel aufgrund seines fortdauernden Götzendienstes und Ungehorsams: “Ich will euch aus Jerusalems Mitte hinausführen und euch an Fremde ausliefern und das Urteil an euch vollstrecken. Ihr sollt durchs Schwert fallen; auf dem Gebiet Israels will ich euch richten, und ihr sollt erkennen, dass ich der HERR bin! Diese Stadt wird nicht euer Topf sein, und ihr werdet nicht das Fleisch darin sein, sondern ich will euch richten auf dem Gebiet Israels! Und ihr sollt erkennen, dass ich der HERR bin, in dessen Satzungen ihr nicht gewandelt und dessen Rechtsbestimmungen ihr nicht gehalten habt; sondern nach den Bräuchen der Heidenvölker, die um euch her sind, habt ihr gehandelt.” (Hesekiel 11, 9-12) Die unerbittliche, erschütternde Konsequenz: “Und die Herrlichkeit des HERRN stieg auf, mitten aus der Stadt, und blieb stehen auf dem Berg, der östlich von der Stadt liegt.” (Hesekiel 11, 23) Die Geschichte des Ölbergs setzt sich mit der tragischen Tatsache fort, dass er der Weg wird, auf dem Gottes Herrlichkeit das ungehorsame und verurteilte Jerusalem verlässt.

Damit ist die Geschichte jedoch nicht zu Ende. In Hesekiel 43 ist eine Prophezeiung aufgeschrieben, die der Prophet selbst nicht mehr erleben durfte: “Und die Herrlichkeit des HERRN kam zu dem Haus des Tempels, auf dem Weg durch das Tor, das nach Osten gerichtet war.” (Hesekiel 34, 4) Die Herrlichkeit Gottes bleibt nicht für immer fort, sondern kehrt zurück nach Jerusalem – durch das östliche Tor und damit über den Ölberg! Diese Hoffnung hatten die Israeliten über Jahrhunderte, gespannt erwarteten sie das Rückgängigmachen des Gerichtsspruches Gottes.

Dann endlich erfüllt sich sich die Prophezeiung. Lukas 19 erzählt uns davon, dass Jesus vom Ölberg aus durch das östliche Tor in die Stadt Jerusalem einzieht. Die Menschen jubeln laut: “Gepriesen sei der König, der kommt im Namen des Herrn! Friede im Himmel und Ehre in der Höhe!” (Lukas 19, 38) Doch schon einige Tage später rufen die Menschen verbittert “Kreuzige, kreuzige ihn!” (Lukas 23, 21). Sie hatten erwartet, dass Gott sein Gericht durch einen Krieger-Messias rückgängig macht, der sie mit dem Schwert von ihren Feinden befreien würde. Stattdessen bekamen sie ein Lamm – das hatten sie nicht erwartet und das wollten sie auch nicht. So hatte man sich die Erfüllung der Prophezeiung aus Hesekiel 43 nicht vorgestellt. Diese Art von Herrlichkeit war nicht erwünscht.

Während David in 2. Samuel 15 über den Ölberg aus Jerusalem floh, um der Gefangennahme zu entgehen, ging Jesus bereitwillig zum Ölberg (Matthäus 26, 30), um sich dort gefangennehmen, nach Jerusalem bringen und zum Tod am Kreuz verurteilen zu lassen. Während der Ölberg für David zu dem Ort wurde, an dem er sein Volk und seine Krone zurücklässt, um seine eigene Haut zu retten, wird er für Jesus zu dem Ort, an dem er sein eigenes Leben gibt, um sein Volk zu retten, mit einer Krone aus Dornen auf dem Haupt. Nach seinem Tod auf Golgatha und seiner Auferstehung fährt Jesus vom Ölberg aus auf in den Himmel, zurück zum Vater. Einmal mehr verlässt die Herrlichkeit Gottes Jerusalem. Das größte Werk der Gnade ist vollbracht. Aber einmal mehr sieht es so aus, als würde die Geschichte des Ölbergs mit der Prophezeiung um die nachhaltige Rückkehr der Herrlichkeit Gottes kein Happy End nehmen.

In Sacharja 14 sehen wir jedoch eine weitere Prophezeiung: “Und seine Füße werden an jenem Tag auf dem Ölberg stehen, der vor Jerusalem nach Osten zu liegt; und der Ölberg wird sich in der Mitte spalten nach Osten und nach Westen hin zu einem sehr großen Tal, und die eine Hälfte des Berges wird nach Norden zurückweichen, die andere nach Süden. […] Und der HERR wird König sein über die ganze Erde. An jenem Tag wird der HERR der einzige sein und sein Name der einzige.” (Sacharja 14, 4.9) Es wird einen Tag in der Zukunft geben, an dem der Messias in Pracht und Herrlichkeit auf die Erde zurückkehren wird, um die Völker und Nationen zu richten. Und Sacharja zeigt, wo das passieren wird: auf dem Ölberg.

Doch bevor das geschieht, bevor dieser Tag kommt, werden die Jünger vom Ölberg aus in die Welt geschickt, um Menschen das Evangelium zu predigen, um zu taufen und die Nachfolger Jesu zu unterweisen, damit sie nicht mehr Teil des kommenden Gerichtes sein werden: “[…] Ihr Männer von Galiläa, was steht ihr hier und seht zum Himmel? Dieser Jesus, der von euch weg in den Himmel aufgenommen worden ist, wird in derselben Weise wiederkommen, wie ihr ihn habt in den Himmel auffahren sehen! Da kehrten sie nach Jerusalem zurück von dem Berg, welcher Ölberg heißt, der nahe bei Jerusalem liegt, einen Sabbatweg entfernt. (Apostelgeschichte 1, 11-12; siehe Matthäus 28, 16-20)

Obwohl sich diese Prohpezeiung noch nicht erfüllt hat, ist klar: die geheimnisvolle Geschichte um den Ölberg ist noch nicht zu Ende. Die Herrlichkeit Gottes hat noch nicht jeden Winkel dieser Welt eingenommen. Aber überall auf der Welt wird das Evangelium der Gnade Gottes verkündet. Menschen werden aus der Dunkelheit ins Licht gestellt. Durch das Blut Jesu Christi werden Menschen von Gerichteten zu Geheiligten. Und es steht vollkommen und ohne Zweifel fest: bald wird Jesus zurückkehren, wenn die Stunde da ist, und dann wird es keinen Winkel geben, der nicht ganz und gar von der Herrlichkeit erfüllt ist. Die Prophezeiung aus Hesekiel 43 wird auf eine viel größere und schönere Art und Weise erfüllt werden, als die Menschen zur Zeit Jesu es sich jemals hätten vorstellen können. Jesus ist der Sieger und er nimmt uns mit hinein in diesen Sieg, und wir werden ihn in alle Ewigkeit anbeten und uns freuen. Davon zeugt der Ölberg. Wer ihn sieht, der wird neue Gewissheit dieser wunderbaren Wahrheit bekommen.

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