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Die Offenbarung als Leitfaden für Impfungen?

21. September 2021

Okay, ich muss etwas loswerden. Vorige Woche hörte ich von einem alten Bekannten (mit dem ich theologisch nur sehr wenig Schnittmenge habe), wieder folgendes Argument: “Wer Impfungen annimmt, nimmt das Malzeichen aus Offenbarung 13 an. Geimpfte werden in die Hölle kommen, ohne wenn und aber”. Normalerweise gehe ich nicht auf diese Art von Aussagen ein. Da ich jedoch mitbekommen habe, dass derartige Gedanken einen Weg in die ein oder andere Gemeinde gefunden haben, möchte ich eine biblisch fundierte Entkräftung liefern. Keinen Rundumschlag, aber einige wenige Argumente, die unbedingt in Betracht gezogen werden müssen, bevor derartige WhatsApp-Nachrichten- und Videos weitergeleitet werden.

Erstens, ich möchte unter keinen Umständen postulieren, ich wüsste, was das Malzeichen konkret ist. Aus dem einfachen Grund, weil ich es nicht weiß. Und etwas anderes zu behaupten, geht in meinen Augen über gesunde Bibelauslegung hinaus, auf eine Art und Weise, die wir ablehnen müssen. Denn: das Ziel der Offenbarung ist es gar nicht, dass wir alles darin Enthaltene “verstehen” müssen, in dem Sinne, dass wir allen darin vorkommenden Ereignissen und Zeichen konkrete Deutungen aus unserer Zeit liefern müssen. Warum sage ich das? Der Grund ist ganz einfach. Am Anfang des Briefes wird der Zweck der Offenbarung deutlich: “Glückselig ist, der die Worte der Weissagung liest, und die sie hören und bewahren, was darin geschrieben steht!” (Offenbarung 1, 3). Von “verstehen” ist erst einmal nicht die Rede. Darüber, die Bedeutung zu verstehen, wird häufig vergessen, was das eigentliche Ziel ist: Gehorsam (Offenbarung 14, 12), Freude daran (Offenbarung 19, 7), Überführung (Offenbarung 2, 16-21) und Ermutigung (Offenbarung 2, 10). 1 Ich will damit nicht sagen, dass es nicht legitim ist, darüber nachzudenken, welche Bedeutung die Warnungen heute haben – man denke nur an die Warnung vor der Hure Babylon, der in Zeiten des Internets andere Mittel und Wege zur Verfügung stehen als vor 1000 Jahren, um die Herzen der Menschen zu verführen. Hier ist eine Auslegung, die vor Gefahren einer hypersexualisierten Welt warnt, redlich und gut. Aber wir sollten Vorsicht walten lassen, Warnungen und Zeichen, die die Offenbarung enthält, zu mystifizieren und zu instrumentalisieren, um unsere eigenen Motive zu legitimieren – seien es Ablehnung gegenüber allem, was nicht in unser Weltbild passt (TVs, Internet, Autos, Buchdruck etc. waren alles schon einmal Malzeichen im Laufe der Zeit), Ungehorsam gegenüber der Regierung oder Angst vor mit scheinbar zu wenigen klinischen Daten dokumentieren Impfungen. Hier ist die Grenze zu gesunder Bibelauslegung konkret der Offenbarung und allgemein der Schrift überschritten. Hier hören wir auf, auf das zu hören, was die Schreiber des Alten und Neuen Testaments in den Text hineingelegt haben und fangen an, das herauszulesen, was wir gerne lesen wollen. Genau das ist es, was der Teufel erreichen will: Gottes Wort wird zu deinem und meinem Wort. Die Klarheit der Schrift wird verwischt in ein Konglomerat aus individuellen Ansichten und die Autorität abgekocht zu einem separierenden Derivat einiger Weniger, die (woher auch immer) die Verwegenheit besitzen, eine größere Erkenntnis zu haben behaupten.

Zweitens, ich möchte folgende Frage in den Raum stellen: Wann und mit welcher Legitimierung haben wir begonnen, Menschen entgegen der eindeutigen Aussagen der Bibel auf ewig zu verdammen? Woher haben wir die Kühnheit genommen, zu meinen, wir dürften verurteilen und dabei auch noch andere als die in der Schrift genannten nötigen Tatbestände einzuführen? “Richtet nicht, damit ihr nicht gerichtet werdet! Denn mit demselben Gericht, mit dem ihr richtet, werdet ihr gerichtet werden; und mit demselben Maß, mit dem ihr anderen zumesst, wird auch euch zugemessen werden.” (Matthäus 7, 1-2). Auch hier möchte ich wieder eindeutig sein: Jesus macht in Matthäus 18, 18 diese Aussage: “Was ihr auf Erden binden werdet, das wird im Himmel gebunden sein, und was ihr auf Erden lösen werdet, das wird im Himmel gelöst sein.” Was er damit sagt, ist folgendes: eine Gemeinde als biblisch legitimierte Gemeinschaft von Gläubigen, die in Übereinstimmung mit dem Wort Gottes handelt, hat die Autorität zu erklären, ob jemand ein Kind Gottes ist oder nicht. Hierbei erfolgt kein eigenmächtiges Bestimmen, sondern aufgrund der Aussagen, die die Bibel über Vergebung, Früchte und Heiligung trifft, ein Verkünden des Urteils der Heiligen Schrift, des “Himmels”. Wenn jemand behauptet, ein gesundes Gemeindemitglied zu sein, sein Leben aber Dinge hervorbringt, die die Bibel als nicht in das Leben eines Christen passend verurteilt, und keine Buße herrscht, so ist Jesus klar: “Hört er aber auch auf die Gemeinde nicht, so sei er für dich wie ein Heide und ein Zöllner.” (Matthäus 18, 17). Diese Autorität hat die Gemeinde, weil sie ihr von Jesus in diesem Rahmen verliehen wurde. Klar ist aber: es geht um “zu bindende” oder “zu lösende” Tatbestände, die im Himmel bereits “gebunden” oder “gelöst” sind. Wie passt das nun zu verurteilenden, auf ewig verdammenden Strafreden, bei denen es um Dinge der Gewissensfreiheit geht? Ganz einfach: gar nicht. Paulus ist als erster Advokat für die Beziehung zwischen Liebe und Gewissensfreiheit zu nennen (besonders 1. Korinther 9). Sogar das Essen von Götzenopferfleisch hat keinerlei Macht darüber, unseren Status als Kinder Gottes auch nur anzukratzen (ich werde nicht diskutieren, was davon streitbarer ist, ein Stück Fleisch, das Heiden ihren toten Götzen geopfert hatten oder ein lebensrettendes Vakzin). Hat die Gemeinde Autorität, zu “lösen”, wo es um Dinge geht, die für die Ewigkeit keine Bedeutung haben? Eine solche Auslegung der Schrift ist nicht nur falsch, sondern höchst unredlich und gefährlich. Ich äußere mich nicht zu Impfungen, da jeder Einzelne die freie Entscheidung dazu hat. Ich persönlich habe mich impfen lassen, da ich darin einen Akt der Nächstenliebe sehe und mich selbst schützen möchte, aber dies ist eine Gewissensfrage und ich akzeptiere es genauso, wenn jemand sich dagegen entscheidet. Es ist okay, das Vakzin abzulehnen. Es ist okay, sich unsicher bezüglich seiner Wirksamkeit, Verträglichkeit oder seiner Langzeitfolgen zu sein und deshalb davon abzusehen. Es ist okay, aus persönlichen Gründen beliebiger Natur vor der Impfung zu warnen. Aber es ist nicht okay, die Schrift zu instrumentalisieren, um mit verdrehten Aussagen ein Dafür oder Dagegen zu legitimieren.

  1. https://www.evangelium21.net/media/2932/der-schluessel-zum-buch-der-offenbarung

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2 Comments

  • Reply Uwe B 21. September 2021 at 19:52

    That is it bro‘ – rightly said: Amen

  • Reply David 22. September 2021 at 10:13

    Sehr gut gesagt! Danke für diese Klarstellung.

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